Mendelssohns Berichte aus Frankfurt

Musik in Frankfurt und Cäcilienverein

Aus einem Brief von Mendelssohn an Zelter aus Paris, 15. Februar 1832:
"In Frankfurt ist das Ding [die Musik] vornehmer, geschäftsmäßiger, großstädtischer, aber viel weniger lustig [als an kleineren Orten]. Die Republiken soll der Teufel holen, sie taugen nicht für Musik. Sie sind da gleich knauserig, fragen zuerst, was es kostet und haben nicht ein Bißchen Ostentation. Dafür ist aber wieder der Cäcilien-Verein dort, wegen dessen allein man schon in F. gewesen sein muß; die Leute singen mit so viel Feuer und so zusammen, daß es eine Freude ist; er versammelt sich einmal wöchentlich und hat 200 Mitglieder; außerdem hat Schelble des Freitag abends bei sich einen kleinen Chor von etwa 30 Stimmen, wo er am Klavier singen läßt, und seine Lieblingssachen, die er dem großen Verein nicht gleich zu geben wagt, nach und nach vorbereitet. Da habe ich eine Menge kleiner Sonntagsmusiken von Seb. Bach, sein Magnificat, die große Messe und sonst noch viel Schönes gehört. Die Frauen sind auch da, wie bei Ihrer Akademie, die eifrigsten; an den Männern fehlt es ein bischen: sie haben Geschäfte im Kopf; ich glaube sogar, es ist überall so; am Ende haben die Frauen bei uns mehr Gemeingeist wie die Männer. Im Cäcilien-Vereine wenigstens gewiß; denn da sind die Soprane gar herrlich, Alt und Baß sehr gut; aber an Tenören fehlt es etwas, und Schelble klagt, wie Sie, über die Lauigkeit der Männer."

Aus einem Brief an seine Mutter und die Schwester Rebekka aus Frankfurt vom 14. Juli 1836:
"Hier sitze ich nun in der wohlbekannten Eckstube auf der schönen Aussicht in Schelbles Wohnung; er selbst mit seiner Frau ist auf seinem Gut in Schwaben, und kommt nicht wieder, solange ich in Frankfurt bin. […] die Aussicht aus diesem Eckfenster ist wirklich beneidenswert, - jetzt im herrlichen Sommerwetter den Main hinunter zu sehen mit den vielen Kähnen, Flößen und Schiffen, drüben die bunten Ufer und besonders mein alter Liebling, der Wartthurm [Sachsenhäuser Warte], der nach Süden zeigt, auf der anderen Seite die blauen Berge [des Taunus]."

Erinnerungen an den Frankfurter Stadtwald

Aus einem Brief an seine Mutter aus Frankfurt vom 3. Juli 1839 über ein Familienfest im Frankfurter Stadtwald, in der Nähe der Oberschweinstiege, das Anfang Juli 1839 ihm zu Ehren veranstaltet wurde: "Das schönste was ich aber in meinem Leben bis jetzt von Gesellschaften gesehen habe, war ein Fest im Walde hier, das ich Dir genau beschreiben muß, weil es einzig in seiner Art war. Eine Viertelstunde vom Wege ab, tief im Walde, wo hohe, dicke Buchen einzeln stehen und oben ein grünes Dach bilden und man ringsherum nur grünen Wald durch die vielen Stämme durchschimmern sah, da war das Local; man mußte auf einem kleinen Fußweg durch's Gesträuch sich dahin arbeiten, und sobald man auf dem Platze ankam, sah man in der Entfernung die vielen weißen Gestalten unter einem Rand von Bäumen, die mit dicken Blumenkränzen verbunden waren und der einen Concertsaal vorstellte. - Wie lieblich da der Gesang klang, wie die Sopranstimmen so hell in die Luft trillerten, und welcher Schmelz und Reiz über den Tönen war, alles so still und heimlich und doch so hell - das hatte ich mir nicht vorgestellt. Es war ein Chor von etwa zwanzig guten Stimmen [... ]Wie sie sich nun den Abend unter die Bäume stellten und mein erstes Lied 'Ihr Vöglein in den Zweigen schwank' anhoben, da war es in der Waldstille so bezaubernd, daß mir fast die Thränen in die Augen kamen. Wie lauter Poesie klang es [...] So sangen sie das ganze Heft durch und dann drei neue Lieder, die ich dazu componiert hatte, und das dritte (es heißt 'Lerchengesang') wurde kaum gesungen, nur gejubelt und dreimal nacheinander wiederholt."
Danach gab es ein gutes Essen und wiederum Musik. An dieser Stelle wurde noch im selben Jahr ein "Mendelssohn-Stein" zur Erinnerung gesetzt.

Zitiert nach:
Mendelssohn-Bartholdy, Felix: Briefe aus den Jahren 1830 bis 1847, hrsg. von Paul Mendelssohn Bartholdy, 1. Band 8. Aufl. 1869, 2. Band 6. Aufl. 1875 und Albert Richard Mohr: Musikleben in Frankfurt am Main

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