Einleitung zu Bd. 1

Band 1 umfasst den Zeitraum von April 1730 bis 4. August 1732.

Der Band besteht aus mehreren Teilen, die jeweils eine eigene Seitenzählung aufweisen:

  • Teil 1 [= S. 1-292] endet mit dem Jahreswechsel 1731/1732;
  • zwischen S. 8 und S. 9 von Teil 1: "Beschreibung meiner Reise . . ." [= S. 1-16]
  • Register
  • Teil 2 [= S. 1-344]

Teil 1 beginnt (S. 1-8) mit Senckenbergs Aufzeichnungen zu seinem Aufenthalt in Halle/Saale ab Mai 1730. Darin eingefügt ist ein - auch durch eine eigene Seitenzählung (S. 1-16) als solcher gekennzeichneter Sonderteil, ein Reisetagebuch, in dem Senckenberg minutiös seine vom 17. bis 27. April 1730 erfolgte Reise als angehender Medizinstudent von Frankfurt/Main zu seinem Studienort Halle beschreibt. Hier finden sich detailliert und lebhaft geschilderte Beobachtungen verschiedenster Art, so zu den einzelnen Reisestationen; zu den Begegnungen mit den Menschen, die er auf dieser Reise trifft, die Wiedergabe von Gesprächen mit ihnen; darüber hinaus Notate zu allem, was auf dieser Reise sein Interesse erweckt, seien es botanische Raritäten, die Ausstattung einer zeitgenössischen Apotheke in Eisenach, der herzogliche Hof in Weimar, aber ebenso zu den Beschwerlichkeiten und Strapazen, die mit dem Reisen verbunden waren, so dass dieses Reisetagebuch eine kleine Kulturgeschichte des Reisens zur damaligen Zeit in nuce darstellt.

Mit S. 9 von Teil 1 (und damit dem 9. Mai 1730) werden die Schilderungen zum Aufenthalt in Halle fortgesetzt. Schwerpunkte sind - neben vielen anderen Notaten unterschiedlichster Art - medizinische "Observationes" und Aufzeichnungen, die die Auseinandersetzung Senckenbergs "mit sich selbst", sein Ringen um die richtige Lebensführung, um die philosophischen und theologischen Grundthemen seiner Zeit widerspiegeln bis hin zu ‘Meditationen’.

Im Juli 1731 bricht Senckenberg sein Medizinstudium in Halle ab. Der Grund dafür ist vermutlich, dass ein Mitglied seines Hallenser Freundeskreises, der Dozent D. Hoheisel, sich in einen Pamphletenstreit mit einem Kollegen eingelassen hatte, in den auch Senckenberg involviert war. Senckenberg muss daraufhin die Universität verlassen, was wohl im Einvernehmen mit seinen akademischen Lehrern geschieht, wie aus der Tagebucheintragung zum 11. Juli 1731 hervorgeht: Hier berichtet Senckenberg, dass Professor Juncker ihn aufgesucht und ihm vorgeschlagen habe, er möge einem Patienten Junckers, dem sachsen-gothaischen Geheimrat Baron von Heringen, als ärztlicher Begleiter zur Verfügung stehen, und Senckenberg willigt ein.

Am 17. Juli erfolgt die Abreise aus Halle. Senckenbergs Aufzeichnungen über seinen Aufenthalt auf dem Gut des Barons in der Nähe von Erfurt bieten eine genaue Schilderung des Tagesablaufs in einem "Adelshaushalt" im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts (bis hin zur akribischen Beschreibung der eingenommenen Mahlzeiten, der verschiedenen Arten des Zeitvertreibs usw.); er betrachtet seine dortige Situation jedoch zunehmend kritisch (Standesunterschiede, Zeitvergeudung). Das Dienstverhältnis zu Baron von Heringen endet in gutem Einvernehmen im Frühjahr 1732.

Auf dem Rückweg nach Frankfurt weilt Senckenberg vom 11. bis 15. April 1732 in Berleburg, das unter der Schirmherrschaft des toleranten Grafen Casimir von Sayn-Wittgenstein zu einem Refugium für radikale Pietisten und einem Zentrum radikalpietistischer Literatur geworden ist. Hier trifft er sich mit zentralen Gestalten dieser Richtung, so mit dem Theologen, Arzt und Alchemisten Johann Conrad Dippel, seinem langjährigen verehrten Lehrmeister und Freund, mit dem er schon, wie nicht zuletzt aus den zeitlich früheren Tagebucheinträgen in Band 1 hervorgeht, bereits zuvor regen Briefkontakt pflegte, ebenso mit Johann Samuel Carl (Leibarzt des Grafen), den Brüdern Haug u.a.

Nach der Rückreise mit Aufenthalten in Gießen und Friedberg trifft Senckenberg am 19. April 1732 in Frankfurt ein. Hier wohnt er im Elternhaus, zusammen mit seiner Mutter, was bald zu Konflikten führt. Er widmet sich wissenschaftlichen, nicht zuletzt botanischen Studien, macht Exkursionen in die Umgebung, behandelt und berät Patienten aus dem Verwandten- und Freundeskreis, vor allem jedoch beschäftigt er sich mit religiösen und existenziellen Fragestellungen. Aus dem weiterhin engen Kontakt mit Dippel erwächst seine zweite Reise nach Berleburg, die er am 31. Juli 1732 antritt.

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