Die aus einem Seminar resultierende Ausstellung erkundet die Geschichte studentischer Filmkultur an der Goethe-Universität, die in ihrer mehr als siebzigjährigen Geschichte von einer Vielzahl von Gruppen mit sehr unterschiedlichen Zielsetzungen und jeweils eigenem Selbstverständnis geprägt wurde - seit der Gründung des "Film-Studio“ im Jahr 1951 bis zum aktuellen Pupille-Kino.
In diesem Zeitraum wurden unterschiedliche Konzepte von Programmarbeit verfolgt, es wurden Filme gedreht, filmhistorische Ausstellungen gezeigt und Ansätze universitärer Filmwissenschaft mitentwickelt. Es wurde eine hauseigene Zeitschrift herausgeben - die weit mehr als lokale Bedeutung erlangte. Mit anderen Gruppierungen, wurde um filmpolitische Positionen gestritten, gelegentliche Skandale ausgelöst, wechselnde Orte und Räumlichkeiten bezogen und immer wieder auch um den Erhalt eines Uni-Kinos gekämpft.
Die Ausstellung präsentiert ausgewählte Ergebnisse der Grabungsarbeiten zu diesem Teil der Frankfurter (Uni-)Geschichte. Sie ist in Kooperation mit dem Masterstudiengang "Filmkultur: Archivierung, Programmierung, Präsentation" am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Goethe-Universität entstanden. Ein "Gastspiel" der Kinothek Asta Nielsen stellt den kürzlich übernommenen Vorlass von Hildegard Westbeld und den Chaos-Filmverleih vor.
Das Projekt wurde geleitet von Bettina Schulte Strathaus und Johannes Prätorius-Rhein, Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft, Goethe-Universität Frankfurt.
Kuratorisches Team: Michael Bungardt, Johanna Fieberling, Feven Haile, Valentin Herleth, Franziska Kohler, Johannes Maithert, Simon Oetken, Johannes Prätorius-Rhein, Bettina Schulte Strathaus
Eine Filmreihe (in Kooperation mit der Pupille) flankiert die Ausstellung.
Ausstellung
01.12.2023 - 28.02.2024
Dienstag - Freitag: 13.00 - 20.00 Uhr
Samstag u. Sonntag: 10.30 - 18.00 Uhr
Montags geschlossen.
Bitte beachten Sie auch die Schließzeit der Zentralbibliothek vom 23.12.2023 bis 02.01.2024. In dieser Zeit ist auch die Ausstellung geschlossen!
Vernissage
30.11.2023, 18 Uhr im Schopenhauer-Studio
Rahmenprogramm
Screening von "Madame X - eine absolute Herrscherin"
In Kooperation mit der Kinothek Asta Nielsen. In Anwesenheit ehemaliger Mitglieder des Frauenkinos FFM (angefragt).
Madame X, die Herrscherin des Chinesischen Meeres (gefilmt am Bodensee!), ruft alle Frauen dazu auf, ihr eintöniges Leben hinter sich zu lassen und ihr auf ihrem Piratinnenschiff in eine Welt voller Liebe und Abenteuer zu folgen. Der experimentelle Film gilt als »Angelpunkt queerer Filmgeschichtsschreibung« (arsenal) und wurde in der lesbisch-feministischen Szene eher gespalten aufgenommen. Madame X lief am 15. November 1981 in der Pupille und war die erste Vorstellung des Frauenkinos FFM - eines Kollektivs, das aus den weiblichen Pupillemitgliedern bestand und ab 1981 Kinovorstellungen von Frauen für Frauen organisierte. Im Anschluss an die Wiederaufführung laden wir zu einem Gespräch mit damaligen Mitstreiter*innen ein, die uns von ihrer Arbeit erzählen.
Screening von "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt"
In Kooperation mit der Kinothek Asta Nielsen. In Anwesenheit ehemaliger Mitglieder des Frauenkinos FFM (angefragt).
1974 lädt die Pupille zum ersten Mal politische Studierendenengruppen ein, das Kinoprogramm mitzugestalten. Das Ziel: Filme und Themen beleuchten, die außerhalb des kommerziellen Kinos laufen. Bereits ein halbes Jahr später organisiert die Pupille gemeinsam mit der Gruppe Rote Zelle Schwul (kurz Rotzschwul) die Filmreihe Homosexualität & Gesellschaft am Beispiel im Film, welches als erstes Event seiner Art in Deutschland gilt. Über den April 1975 verteilt werden unter anderem Filme zum Thema »Underground oder Avantgardefilme« gezeigt. Aus diesem Programm zeigen wir Nicht der Homosexuelle ist pervers …, Rosa von Praunheims radikalen Dokumentarfilm über die Sichtbarkeit von Homosexuellen. [Michael Bungardt]
Revisited: Filmreihe "Geschichte & Identität"
Im Mai 1987 findet die Film- und Diskussionsreihe „Geschichte und Identität“ zum "Historikerstreit" in der Camera statt. Veranstaltet von einem Kreis um AStA, Linke Liste, Pupille und Schöne Neue Welt. Dabei wird zum "Historikerstreit" die Singularität des Holocaust und die Frage, welche Rolle dieser für ein identitätsstiftendes Geschichtsbild Deutschlands spielen soll, erörtert. Durch das ausschnittsweise Zeigen aus damals gezeigten Filmen, sowie einer 51-minütigen Dokumentation über die Filmreihe 1987, wird diese Veranstaltung zur doppelten Wiederbegegnung mit Vergangenheit. Wie wird heute auf die Debatte aus den Jahren 1986/87 geschaut?
Zu Gast für eine Diskussion sind einige der damaligen Veranstalter*innen: Friederike Heuer, Peter-Erwin Jansen, Konstanze Mörstorf, Bettina Schulte Strathaus, Tilman Wolf
Filme:
Wundkanal (BRD/F 1984) Regie: Thomas Harlan
Notre Nazi (BRD/F 1984) Regie: Robert Kramer
Dokumentation über die Filmreihe "Geschichte & Identität“ (BRD 1987)
Politische (Film-)Arbeit auf dem Campus in den 60er- und 70er-Jahren
In Anwesenheit von ehemaligen filmstudio-Mitglieder (angefragt).
Dieses Programm gibt einen Überblick über dekoloniale Aktivitäten auf dem Campus und in der studentischen Filmarbeit in den 60er und Anfang der 70er-Jahre. Während das Bockenheimer Studierendenhaus sich als Standort und Ausgangspunkt für unterschiedliche Demonstrationen erwies, wie auch für anti-imperialistischen Kämpfe, fehlte eine entsprechende Politisierung in der Programmarbeit des filmstudios der frühen Jahre. Es wurden kaum Filme gezeigt, die dekoloniale Themen vertreten haben. Dies änderte sich mit der Übernahme des filmstudios durch eine kleine Gruppe um Claudia von Alemann von 1969-1972, die sich dem Zeigen von politischen Filmen und dem Verleih von Filmen von Frauen verschrieb. Zur selben Zeit waren das filmstudio aber nicht die einzige Initiative die Filme zeigte. Politische Hochschulgruppen haben immer wieder Filme für ihre anti-imperialistische Arbeit funktionalisiert und im Zusammenhang von Demos oder Teach-Ins gezeigt.
AUS EIGENER KRAFT - FRAUEN IN VIETNAM; DEU 1971, 21 min, deu OmeU, R: Claudia von Alemann (Film aus dem Verleih des filmstudios, und Teil der Veranstaltung Filme zur sozialistischen Frauenbewegung vom 18.-19.11.1971.)
MADINA BOÉ; CUB 1968, 38 min, por OmU, R: José Massip (13.06.1969 vom AStA, der Afrika Projektgruppe und der Aktion Befreite Gebiete als Teil der „Kampagne zerschlagt die Entwicklungshilfe“ gezeigt.)
PUPILLE NR. 17 (AUSSCHNITT); DEU 1961, Cliplänge 01:27 min, deu OF, R: Filmclub des filmstudio (Ausschnitt dokumentiert, die von Tirmiziou Diallo organisierte Demonstration vom 02.02.1961 vor dem Studierendenhaus gegen die Ermordung Patrice Lumumbas)