Einleitung zu Bd.3
Die in Band 3 versammelten Aufzeichnungen umfassen 611 Seiten und erstrecken sich
über den Zeitraum vom 1. Januar 1733 bis zum 30. April 1733:
Johann Christian Senckenberg wohnt nach Abbruch des Medizinstudiums und
seiner Tätigkeit als ärztlicher Begleiter des Barons von Heringen wieder
in seinem Elternhaus, was zu Konflikten mit seiner Mutter führt.
Die Aufzeichnungen für jeden einzelnen Tag sind sehr detailliert und umfassen oft einige Seiten.
Den größten Raum nehmen die breit ausgeführten "Observationes" in Bezug auf seine eigene Person, seine körperlichen und seelischen Befindlichkeiten (z.B. die minutiöse Beschreibung von Körperreaktionen während eines Tages), religiöse/philosophische/existenzielle Fragestellungen ein. Neben diesen Hauptpunkten (Medizin, Theologie, die Auseinandersetzung mit der eigenen Person und Persönlichkeit) verzeichnet er alles, was in irgendeiner Form ebenfalls sein Interesse hervorruft, so dass sich hier Aufzeichnungen zu vielen unterschiedlichen Wissensgebieten finden - zu erwähnen sind nicht zuletzt die täglichen genauen Wetteraufzeichnungen (Barometer, Temperatur, Wind, Niederschläge, evtl. ein �Nordschein� etc.).
Darüber hinaus wird durch die akribische Beschreibung des jeweiligen Tagesablaufs unmittelbar und authentisch das Alltagsleben in einer Freien Reichsstadt im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts - und damit auch viel kulturgeschichtlich Interessantes - vor Augen geführt.
Einen besonderen Schwerpunkt bildet Senckenbergs Schilderung des täglichen Umgangs mit seinem
persönlichen Umfeld und seiner Kontakte zu verschiedenen Personenkreisen:
Hier sind gute Freunde zu nennen wie der Kaufmann Diesterweg, die Patienten aus dem Freundes- und
Verwandtenkreis, aber vor allem auch Senckenbergs Treffen und Begegnungen mit den in Frankfurt und
Umgebung (z. B. Offenbach) ansässigen ‘radikalen Pietisten’ bzw. ‘Separatisten’, mit denen er bekannt
oder sogar befreundet war, wie Christian Fende, Andreas Groß, Dr. med. Melchior
Douzetemps/Douzeaidans, der Licentiatus Cramer u.a. Daneben pflegt Senckenberg rege Korrespondenz
mit führenden ‘Radikalpietisten’ von außerhalb (nicht zuletzt Johann Conrad Dippel
und Johann Samuel Carl in Berleburg). Es wird deutlich, in welchem Umfang sich Senckenberg
dieser ‘Gruppierung’ verbunden fühlte und in welchem Maße er sich - mündlich,
schriftlich, durch seine Lektüre - an den verschiedenen Diskussionen beteiligte bzw.
sich mit divergierenden Meinungen auseinandersetzte. Ein Beispiel dafür ist seine
persönliche Auseinandersetzung mit dem Theologen Johann Caspar Theophil Stier, in die auch
Fende, Groß u. a. involviert waren. Die detaillierte Wiedergabe der Gespräche,
Ereignisse usw. liefert somit Einzelheiten und Hintergründe, die wohl nur aus Senckenbergs
täglichen Aufzeichnungen zu erfahren sind.