Provenienzforschung an der Universitätsbibliothek

Das Team Provenienzfoschung der UB Frankfurt durchsucht seit Mitte November 2020 in einem von der Goethe-Universität, der Stadt Frankfurt am Main und dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste geförderten Projekt systematisch ca. 80.000 Bände der Signaturbereiche 00/ und 42/ bis 45/ per Autopsie nach NS-Raubgut.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 begann die systematische Verfolgung von Menschen und Institutionen aus "rassischen", religiösen, weltanschaulichen oder politischen Gründen. Die Verfolgten verloren in vielen Fällen ganz oder teilweise ihr Eigentum, das durch die Exekutivorgane des "Dritten Reiches" entwendet und beschlagnahmt oder durch diskriminierende Gesetze enteignet wurde. Viele der Verfolgten waren gezwungen, ihr Hab und Gut zurückzulassen oder es zu verkaufen, um ihre Flucht oder das Überleben zu ermöglichen.
Bibliotheken, sowie auch Museen und Archive waren Nutznießer der Beschlagnahmungen, Enteignungen und Zwangsverkäufe. Schrifttum von politischen Gegnern wurde beschlagnahmt, zerstört oder gezielt für "nationalsozialistische Forschung" gesammelt und gelangte auf vielfältigen Wegen in die Kulturgut verwahrenden Institutionen. Auch nach dem Krieg gelangte noch NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut in ihre Bestände. Dieser Kulturraub wirkt bis heute nach und NS-Raubgut kann über Schenkungen, Nachlässe oder Ankäufe bei Antiquariaten weiterhin in Bibliotheken gelangen.
Jedes einzelne Buch der oben genannten Signaturbereiche wird für dieses Projekt in die Hand genommen und nach vorhandenen Provenienzmerkmalen wie Stempeln, Autogrammen, Widmungen oder Exlibris hin untersucht. Diese Merkmale werden fotografiert und dokumentiert. Oftmals sind sie die wichtigsten Hinweise für die Bewertung, ob es sich bei einem Buch um NS-Raubgut handelt und die zu den Eigentümern führen können. Weitere Indizien, die einen Raubgut-Verdacht nahelegen, finden sich in Akzessionsjournalen, soweit erhalten. Auch die - nur noch zum Teil - vorhandenen Verwaltungsakten der Bibliothek können Hinweise auf verdächtige Erwerbungen enthalten.
Die Ergebnisse dieser Recherchen werden in den Katalog des Hessischen Bibliotheksverbundes eingepflegt, so dass Angaben zum Vorbesitz im Online-Katalog der UB sichtbar und recherchierbar sind. Des Weiteren werden NS-Raubgutfunde an die Lost Art-Datenbank gemeldet und die Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit durch Vorträge und Veröffentlichungen vorgestellt.
Grundlage für die aufwändigen Recherchen nach NS-Raubgut sind internationale Erklärungen und nationale Aufforderungen, vor allem die Washingtoner Prinzipien und die sogenannte "Gemeinsame Erklärung"
, die allerdings keine rechtlich bindende Verpflichtung darstellen.
Für die Ausstellung »StolperSeiten - NS-Raubgut in der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main« wurde der Kurzfilm »Provenienzforschung in Bibliotheken« - produziert. Er ist online auf dem Youtube-Kanal der Goethe-Universität zu sehen.
Unter Hitler ausgeraubt - Holocaustüberlebende besucht Ausstellung zur Provenienzforschung in der Unibibliothek Frankfurter Rundschau 2.8.2022
Wie die Frankfurter Unibibliothek mit NS-Raubgut umgeht Frankfurter Allgemeine Zeitung 30.5.2022
Frankfurt: Auf der Suche nach NS-Raubgut Frankfurter Rundschau 27.5.2022
Was ist Raubgut und was nicht? Frankfurt live 27.5.2022
Stolper Seiten Weltexpresso 21.5.2022
NS-Raubgut in Bibliotheksbeständen Frankfurter Allgemeine Zeitung 20.5.2022
Ulf Baier, Der Holocaust vernichtete das menschliche Wissen über die Geschichte der Objekte. frankfurt.de 28.8.2020
Eva Maria Magel, Nazi-Beute in den Regalen. Frankfurter Allgemeine Zeitung 23.6.2020, S. 32
NS-Aufarbeitung - Unibibliothek Frankfurt/Main sucht nach Raubgut in Beständen. Deutschlandfunk - Campus und Karriere 11.6.2020
Verdacht auf Raubgut - Bibliothek der Goethe-Uni Frankfurt prüft ihre Bestände. Deutschlandfunk Kultur 7.6.2020
Anke Sauter, Wem die Bücher wirklich gehören. UniReport [Goethe Universität Frankfurt am Main], Nr. 3 vom 4.6.2020, S. 9
Hubertus von Bramnitz, Die Herkunft der Bücher. Weltexpresso 29.5.2020
Universitätsbibliothek forscht nach der Herkunft der Bücher. GOETHE-UNI online - Aktuelle Nachrichten aus Wissenschaft, Lehre und Gesellschaft 28.5.2020
Übersicht über die Projekte der Universitätsbibliothek
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zuletzt geändert am 26. September 2022