Geschichte der Universitätsbibliothek
Als die Universität Frankfurt am Main im Jahre 1914 gegründet wurde, erhielt sie keine eigene Universitätsbibliothek, sondern fünf Frankfurter Bibliotheken übernahmen gemeinsam die Aufgaben einer Universitätsbibliothek:
- die Stadtbibliothek » Geschichte der Stadt- und Universitätsbibliothek
- die Senckenbergische Bibliothek » Geschichte der Senckenbergischen Bibliothek
- die Rothschildsche Bibliothek » Beitrag 125 Jahre Rotschild'sche Bibliothek
- die Kunstgewerbebibliothek
- und die Zentralbibliothek des Städtischen Krankenhauses.
» Historischer Stadtplan, Übersicht
Im Jahr 1945 wurden diese zur »Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main« vereinigt, mit Ausnahme der Senckenbergischen Bibliothek, die eine eigenständige Einrichtung blieb.
Seit 2005 sind Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main und Senckenbergische Bibliothek vereint unter dem neuen Namen »Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg«.
1484 Anlässlich einer Pilgerreise nach Jerusalem vermacht der Frankfurter Patrizier Ludwig von Marburg zum Paradies dem Rat der Stadt seine Büchersammlung, damit sie eine »Liberey aufrichten« könne.
Das Testament datiert auf den 28. April 1484.
1603 Eine erste »Pflichtexemplarverordnung«: der Rat der Stadt verordnet, dass alle Verleger und Drucker von den neuen Büchern auf der Frankfurter Buchmesse ein Exemplar in die Ratsbücherei geben müssen; man fürchtet konfessionelle Auseinandersetzungen auf der Messe und will deshalb den Inhalt der Bücher vorab kontrollieren.
1668 wird die »Ratsbücherei« mit der Bibliothek des ehemaligen »Barfüßerklosters« zusammengelegt: die neue Bibliothek trägt nun den Namen »Stadtbibliothek«. Ihr erster planmäßiger Bibliothekar wird 1691 Johann Martin Waldschmidt.
1728 erscheint der erste gedruckte Katalog von Johann Jakob Lucius mit 32.000 Titeln
1825 Bezug des mit Stiftungsgeldern Frankfurter Bürger finanzierten Neubaus von Johann Christian Friedrich Hess, d.J. an der »Schönen Aussicht«
1830 Umfassende Neuorganisation der Bibliothek durch Johann Friedrich Böhmer. Übernahme von 20.000 Bänden aus den 1803 säkularisierten Klöstern, darunter- neben 400 mittelalterlichen Handschriften und zahlreichen Inkunabeln- auch die 42-zeilige Gutenberg-Bibel
1864 Friedrich Clemens Ebrard formt die Bibliothek zu einer modernen, wissenschaftlichen Gebrauchsbibliothek, Bestand 366.000 Bände
1914 Gründung der Universität; die Bibliothek übernimmt - gemeinsam mit 4 weiteren Frankfurter Bibliotheken die Funktionen einer
Universitätsbibliothek.
1927Der Bestand der »Städtischen und Universitätsbibliotheken Frankfurt am Main« ist auf über 800.000 Bände angewachsen. Er ist im Laufe der Jahrhunderte immer wieder durch bedeutende Schenkungen von Frankfurter Bürger vermehrt worden. Die Bibliothek gehört mit ihren zahlreichen Spezialsammlungen, insbesondere Judaica und Hebraica, zu den bedeutenden wissenschaftlichen Bibliotheken.
1933-45 Tiefer Einschnitt in der Zeit des Nationalsozialismus: Stopp der Neubaupläne, Sperrung von Teilbeständen, Entlassung von Mitarbeitern, so Ulrich Leo und Aron Freimann.
1943 Die Auslagerung der Bibliothek nach »Mitwitz/Oberfranken« kommt zu spät: ein Großteil der Bestände geht verloren, das Bibliotheksgebäude wird bis auf den Portikus zerstört.
1945 Neubeginn als »Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main« durch Zusammenlegung:
- der Stadtbibliothek
- der »Rothschildschen Bibliothek,«
- der »Bibliothek für Kunst und Technik«,
- der »Medizinischen Zentralbibliothek«
- und des »Manskopfschen Museums für Musik- und Theatergeschichte«
1964 In das nach Plänen von Ferdinand Kramer errichtete
und in seiner Konzeption völlig neuartige Gebäude (feierliche Eröffnung am 29. April 1965) auf dem Campus der Universität zieht die »Senckenbergische Bibliothek« mit ein.
Sprunghafter Anstieg der Benutzungszahlen (1964: 350.000, 1966: 500.000 Bestellungen) und des Bestandes (1967: 1.07 Mio Bände)
1977 Bezug eines Ausweichmagazins in Fechenheim; die Bibliothek übernimmt die Aufgabe eines regionalen Zentrums der Handschriftenkatalogisierung
1978 Aufbau eines Zentrums für Gelehrtennachlässe der Frankfurter Schule
1982 erstmals über eine Million Bestellungen
1986 Eröffnung des unterirdischen Ausstellungs- und Magazinbereichs mit unmittelbarem Zugang vom neueröffneten U-Bahnhof aus
Ab 1995 können die neueren Bestände der Bibliothek im »OPAC« und im »Internet« recherchiert und online bestellt werden
1999Einweihung des zweigeschossigen unterirdischen Büchermagazins unter der Zeppelin-Allee mit einem Fassungsvermögen für 2,1 Mio Bände. Auszug aus dem ehemaligen Bücherturm der »Deutschen Bibliothek«. Erstmals seit 22 Jahren sind wieder alle Bestände direkt von der Bibliothek aus zu erreichen
Kulturvertrag zwischen der Stadt Frankfurt und dem Land Hessen: die Stadtbibliothek wird im Jahr 2005, nach über 500 Jahren, in die Trägerschaft des Landes Hessen übergehen.
Seit dem 1.1.2005 sind Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main und Senckenbergische Bibliothek [ » Geschichte der Senckenbergischen Bibliothek] gemeinsam die zentrale Bibliothek der Universität Frankfurt am Main mit dem neuen Namen »Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg«.
Die Senckenbergische Bibliothek geht auf den Frankfurter Arzt Johann Christian Senckenberg (1707-1772) zurück, der 1763 eine Stiftung zur Verbesserung des Medizinalwesens ins Leben rief. Sie bestand aus einem mildtätigen Teil: Bürgerhospital und einem wissenschaftlichen Teil mit anatomischem Theater, Botanischem Garten, Sammlungen und seiner Privatbibliothek. Senckenberg legte größten Wert auf die Eigenständigkeit seiner Stiftung und schloss durch eine Klausel »jegliche Vermengung mit Stadtsachen« ausdrücklich aus.
» ausführlich dazu: Johann Christian Senckenberg und seine Stiftung
Johann Christian Senckenberg war zeitlebens ein großer Bücherfreund. Seine Bibliothek umfasste am Ende seines Lebens etwa 10.000 Bände zu unterschiedlichen Themen. Er kaufte Neuerscheinungen und antiquarisch, ließ die Bücher zum Teil nach seinen Vorstellungen zusammenbinden und in manchen findet man noch heute handschriftliche Anmerkungen von ihm.
Nach seinem Tod übernahm eine Administration die Verwaltung der Stiftung. Die Bibliothek wurde dem »Medizinischen Institut« zugeordnet. Bald kamen die ersten Finanznöte auf und man beschloss 6.000 nicht-medizinische Titel der Senckenbergischen Privatbibliothek auf einer Auktion zu versteigern. Mit dem eingenommenen Geld sollte der medizinische Bestand systematisch ausgebaut werden. Durch umfangreiche Legate Frankfurter Ärzte und Bürger war der Ausbau ebenfalls gesichert.
Im 19. Jahrhundert wurden in Frankfurt mehrere naturwissenschaftlich-medizinische Bürgervereine gegründet:
- 1817 Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft (SNG)
- 1824 Physikalischer Verein (PV)
- 1836 Verein für Geographie und Statistik
- 1845 Ärztlicher Verein
- 1855 Mikroskopischer Verein
1850 schloss die Dr.-Senckenbergische Stiftung einen Vertrag mit den Vereinen bezüglich der Bücher. Die Bibliothek sollte fortan den Namen »Senckenbergische Bibliothek« tragen. Die einzelnen Vereine blieben dabei die Eigentümer ihrer Bücher (dies ist bis auf den heutigen Tag so). Vermutlich ab Ende der 1850er Jahre wurde der Bestand nach der Schleiermacher-Systematik aufgestellt und die Bibliothek wandelte sich von einer Präsenz- in eine Ausleihbibliothek.
1867 erfolgte ein erster Umzug innerhalb des Stiftungsgeländes.
1907 zog die Senckenbergische Bibliothek mit ca. 75.000 Bänden in ein eigenes Gebäude in der Victoria-Allee (heute Senckenberganlage). Ab 1909 wurde die Bibliothek nun hauptamtlich von Bibliothekaren betreut. 1910 wurde der Vertrag über die Bibliothek unter Einbeziehung der Stadt erneuert, die nun auch einen finanziellen Zuschuss gab.
1914 wurde die Johann Wolfgang Goethe-Universität als Bürgerstiftung gegründet. Frankfurter Vereine und Stiftungen stellten ihre Institute der Universität zur Verfügung. Die Senckenbergische Bibliothek wurde Universitätsbibliothek für den Bereich Naturwissenschaften und Medizin.
1923 wurde ein Vertrag zwischen der Stiftung und der Universität unterzeichnet, in dem geregelt wurde, dass die Universität fortan die Personalhoheit und die Unterhaltsträgerschaft übernimmt. Fortan trug die Bibliothek offiziell den Titel: »Universitätsbibliothek für Naturwissenschaften und Medizin«. Alle Neuanschaffungen waren nun Eigentum der Universität. Ab 1925 waren die Mitarbeiter der Bibliothek Universitätsbeamte.
Ab 1928 wurde die Bibliothek durch die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft gefördert. Sie sollte umfassend die Zeitschriftenliteratur in den beschreibenden Naturwissenschaften sammeln. Die Grundlage hierfür war der umfassende Schriftentausch der SNG. Nach Vorstellung der Notgemeinschaft sollte die Senckenbergische Bibliothek deutsches Zentrum für die Literatur der beschreibenden Naturwissenschaften werden. Unter den beschreibenden Naturwissenschaften verstand man Biologie und Geowissenschaften.
Im 2. Weltkrieg wurde das Bibliotheksgebäude durch eine Brandbombe beschädigt, aber der Bestand war frühzeitig nach Oberfranken ausgelagert worden und wurde so kaum in Mitleidenschaft gezogen.
1946 erfolgte die Rückführung mit privaten PKWs und so konnte die Senckenbergische Bibliothek bereits 1947 (mit nur 3 anderen Bibliotheken in der Westzone) den Leihverkehr wieder aufnehmen.
1951 erhielt die Bibliothek von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Fortsetzung ihrer früheren Funktion den Sondersammelgebietsauftrag für Allgemeine Biologie, Botanik und Zoologie. Im Rahmen dieses Sammelauftrags bemüht sich die Bibliothek die weltweit erscheinende und für die Forschung relevante Literatur zum Fachgebiet zu erwerben, zu erschließen und überregional zur Verfügung zu stellen.
1964 zog die Senckenbergische Bibliothek in ein gemeinsames Gebäude mit der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main in der Bockenheimer Landstr. 134-138. Die beiden Bibliotheken hatten zwar einen gemeinsamen Direktor, blieben aber ansonsten vollkommen getrennt, da der Teil Senckenbergische Bibliothek ja nach Senckenbergs Willen nicht »mit Stadtsachen vermengt« werden durfte. Es wurde vertraglich geregelt, dass alle Kataloge und Geschäftsgänge getrennt bleiben müssen. Der damalige Bestand der Senckenbergischen Bibliothek umfasste 300.000 Bände und 165.000 Hochschulschriften.
1967 ging die Finanzverantwortung für die Universität von der Stadt an das Land über.
1972/73 wurde ein neuer Vertrag über die Senckenbergische Bibliothek geschlossen, der wiederum den Sonderstatus der Bibliothek bestätigte. Sie war nun eine »zentrale Einrichtung« der Johann Wolfgang Goethe-Universität.
Ab 1973 erfolgte die aktuelle Literaturversorgung im Bereich der Medizin durch die Medizinische Hauptbibliothek. Die Senckenbergische Bibliothek blieb Archivbibliothek für Medizin. Dafür übernahm sie die Verwaltung der Fachbereichsbibliothek Chemie.
Erst als durch den Kulturvertrag die Stadt- und Universitätsbibliothek [» Geschichte der Stadt- und Universitätsbibliothek] zum Land Hessen kam, war eine Vereinigung der beiden Bibliotheken möglich. In einem Kraftakt wurden neben dem laufenden Routinebetrieb von 2002-2004 die Geschäftsgänge der beiden Bibliotheken angepasst und die Abteilungen nach und nach zusammengelegt.
Stand vor der Integration | |
Bestand: | 1,25 Mio Bände |
Jährliche Erwerbungsausgaben: | 1,6 Mio EUR |
Personal: | 34 Stellen |
Am 1.1.2005 konnte dann eine voll funktionsfähige Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg starten. Auf Wunsch der alten Unterhaltsträger der Senckenbergischen Bibliothek, die in einem Beirat vertreten waren, blieb der Name von Johann Christian Senckenberg im Namen der Universitätsbibliothek erhalten.
Frankfurt am Main 25.1.2007, Dr. Angela Hausinger
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zuletzt geändert am 8. Januar 2025