Humperdinck - Blick in die Sammlungen
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BLICK IN DIE SAMMLUNGEN

Engelbert Humperdinck (1854-1921): zum 100. Todestag des Komponisten am 27. September 2021

Porträtfoto aus der Frankfurter Zeit
(Fotograf E. Hanfstaengl.
UB Frankfurt: Na Mus 30, P 023a)
Die Stadt Frankfurt kaufte 1950 den sehr umfangreichen und vielfältigen Nachlass des Komponisten Engelbert Humperdinck von dessen Sohn Wolfram Humperdinck an. Der Nachlass umfasst nicht nur Musikhandschriften und Notendrucke eigener und fremder Werke, die Tagebücher sowie die umfangreiche Korrespondenz Humperdincks mit Privatpersonen, Kollegen und Verlegern (rund 10.000 Briefe), sondern auch rund 550 Fotos und zahlreiche Erinnerungsstücke wie Ehrengaben und eine Landkarte, auf der Humperdinck seine Reisen einzeichnete. Auch Porträtzeichnungen, eine Kopfskulptur sowie die Totenmaske des Komponisten befinden sich in der Sammlung.

Engelbert Humperdinck, geboren in Siegburg, kam 1890 nach Frankfurt, zunächst auf Einladung von Cosima Wagner, um den Kompositionsunterricht für ihren Sohn Siegfried zum Abschluss zu bringen. Ab dem Spätsommer trat Humperdinck in das Kollegium des Hoch'schen Konservatoriums ein. Daneben wurde er von Leopold Sonnemann als Kritiker für die Frankfurter Zeitung engagiert. Er berichtete regelmäßig über Inszenierungen am Frankfurter Opernhaus sowie von den Bayreuther Festspielen. Am Konservatorium unterrichtete er anfangs Chorgesang und Solfeggio (Gesangsübungen), ab 1893 Partiturspiel und Instrumentation.

 

In Frankfurt gelang es dem Komponisten, aus seiner mehrjährigen kompositorischen Starre herauszufinden, die durch das übergroße Vorbild Richard Wagner und die berufliche Unsicherheit entstanden war. Unterstützt durch seine Familie arbeitete er ein ursprünglich für die Aufführung im engeren Kreis gedachtes Singspiel mit volkstümlichen Liedern um zu einer Märchenoper, die in unnachahmlicher Weise hohe Instrumentationskunst, differenzierte musikalische Stimmungen und volkstümliche Anmutung vereint. Im Dezember 1891 widmete Engelbert seiner Verlobten Hedwig das Particell zu »Hänsel und Gretel«, bevor er es zur vollen Partitur ausarbeitete, und das Werk von Weimar (Leitung: Richard Strauss) und München aus seinen Siegeszug durch die Welt antrat: weitere 5 Aufführungen im ersten Jahr (Anfang 1894), 50 Inszenierungen im deutschsprachigen Raum im 2. Jahr, danach Inszenierungen weltweit.

Widmung des »Hänsel und Gretel«-Particells an Hedwig
(Mus Hs 1601)

 


Abendsegen, Szenenfoto, Hänsel und Gretel, Regensburg 1930

Nachdem Hänsel und Gretel so erfolgreich war, boten mehrere Librettisten Humperdinck weitere Märchenstoffe an. Unter diesen war »Königskinder« etwas Besonderes. Es handelt sich um ein Kunstmärchen, verfasst von Elsa Bernstein. Humperdinck wählte zunächst eine besondere Art der Vertonung, das »gebundene« Melodram: der Text sollte teilweise auf bestimmten Tonhöhen gesprochen werden. Das Werk wurde als Melodram 1897 in München uraufgeführt, erwies sich jedoch wegen der gemischten Sprech-/Singtechnik als schwer aufführbar, besonders für kleine und mittlere Bühnen. So wurde Humperdinck dringend gebeten, das Stück zu überarbeiten und die Melodram-Partien zu Gesangspartien umzuschreiben. Dies tat er nach seinem Umzug nach Berlin. Die Oper "Königskinder" wurde mit großem Erfolg in der Metropolitan Opera in New York mit Geraldine Farrar, Hermann Jadlowker und Otto Goritz in den Hauptrollen uraufgeführt.


Szenenfoto »Königskinder«
Geraldine Farrar als Gänsemagd mit lebenden Gänsen bei der Uraufführung der Oper in New York (28.12.1910)

 

Max Reinhardt inszenierte 1911 eine von Karl Vollmoeller entworfene Pantomime, in der es um wunderartiges Wirken Gottes für eine Nonne auf Abwegen geht.

Die Handlung basiert auf einer mittelalterlichen Marienlegende. Es geht um die Beziehung einer jungen Nonne zur Jungfrau Maria. Ein junger Ritter entführt die Nonne, die dadurch Erniedrigung und Leid erfahren muss. Während ihrer siebenjährigen Abwesenheit vertritt die heilige Maria die Nonne und versieht deren Dienst im Kloster. Als die Nonne schließlich mit einem Säugling zurückkehrt, tauschen Maria und sie wieder ihre Rollen. Vollmoeller interpretiert die Jungfrauengeburt um, indem er das Baby der Nonne durch die Heilige Jungfrau an Kindes statt annehmen lässt. Die Handlung wurde aufwändig und mit viel Personal als Pantomime inszeniert.

Humperdinck schrieb die Musik zu dieser Inszenierung, die in verschiedenen europäischen Großstädten (London 1911, Wien 1912, Prag 1913, Berlin 1914) und in den USA sowie auf Tourneen vor großem Publikum aufgeführt wurde.

Aufgrund des Erfolgs wurde der Stoff im Jahr 1912 als Das Mirakel verfilmt. Die österreichisch-deutsche Ko-Produktion entstand unter der Regie von Michel Carré und Max Reinhardt.

 

Humperdinck schrieb für mehrere Shakespeare-Inszenierungen Max Reinhardts am Deutschen Theater die Schauspielmusik.

1911 noch zum Direktor der Theorie- und Kompositionsabteilung der Berliner Musikhochschule berufen, erlitt Humperdinck Anfang 1912 nach den Anstrengungen der Premiere des Mirakel und der Reise nach London bei feuchtem Wetter im Alter von 58 Jahren einen Schlaganfall. Danach unterrichtete er zwar noch, schonte sich aber und steckte beruflich zurück. 1920 wurde er aus dem Dienst der Hochschule für Musik in Berlin entlassen.

 

Kompositorisch war er bis zu seinem Lebensende aktiv, es entstanden die heiteren Opern »Die Marketenderin« (UA 1915) und »Gaudeamus« (UA 1918), Kammermusik und zahlreiche Lieder.

Einige seiner Schüler wurden später berühmt, so Kurt Weill, Friedrich (Frederick) Hollaender, Robert Stolz und Rudolf Siegel. Schüler kamen aus ganz Europa (Großbritannien, Belgien, Niederlande, Spanien, Italien, Rumänien, Polen, Russland) und aus Nordamerika.

Humperdincks Sohn Wolfram (1893-1985) schlug die Laufbahn eines Regisseurs ein. Als Engelbert Humperdinck eine Neuinszenierung seines Sohnes in Neustrelitz besuchte, erlitt er erneut einen Schlaganfall und verstarb wenig später. Er ist in Stahnsdorf bei Berlin begraben.


Engelbert Humperdinck mit Zigarre am Flügel
Kniestück / Hans Herrmann.
Berlin : Hans Herrmann, 1903

Lied vom schwarzen Adler (Text: Heinrich Treitschke; 1914)

Zeit seines Lebens komponierte Humperdinck Lieder, angefangen bei dem »Signalglöckchen«, das er schon als Kind verfasste bis in sein hohes Alter hinein. Die Bandbreite ist dabei groß und reicht von Kinderliedern über Liebeslieder bis zu Heimatliedern und politisch motivierten Gesängen, von Sololiedern mit Klavierbegleitung bis zu groß besetzten Chorliedern.



Wiegenlied (Text: Elisabeth Ebeling; 1906)

 

Lieder von Humperdinck im Angebot der Naxos Music Library (auf YouTube):

Die Lerche I

Unter den Linden

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zuletzt geändert am 26. September 2022

Kontakt

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