Der untrügliche Wahrsager : interessantes Orakelspiel : Vermächtniß der Madame Marie Lenormand in Paris : mit 9 Bildnissen, als: Marie Lenormand, Giulia Gassendi, Eulalia Boehmer, Nine de la Condamine, Polli Amoretti, Rosa Copernicus, Liddy Adverson, Cathinka Kaprucha, Ilka Kisfaludy : Zweite verschönerte Auflage : Cratz : Verlag des Eduard Ludewig, 1848. – 32 S., 9 ungezählte Bl. Tafeln : Illustrationen
Signatur: W 3263 | Online-Ausgabe
„Der untrügliche Wahrsager“ lautet also der Titel des hier präsentierten Werks. Erstaunlich, wo es doch neun Damen sind, deren hellsichtigen Künste man oder frau hier zu Rate ziehen soll. Diese sind sogar allesamt im Zusatz zum Sachtitel gelistet. Verwiesen wird weiterhin auf ihren jeweiligen Wirkungsort (Paris, Neapel, Leipzig, Brüssel, Mailand, Stockholm, London, Warschau, Pesth) und sogar ihr Konterfei ist beigegeben, ausgeführt als Kreidelithographien. Die Verwirrung mag sich steigern, wenn man feststellt, dass man kein Buch im eigentlichen Sinne in Händen hält (also ein Medium, das man sich lesend und Seiten umblätternd zu Gemüte führt), sondern ein Spiel, genauer gesagt ein „Orakelspiel“ mit mantischem Charakter.
Mittels Karten und vorgefertigten Antworten (insgesamt 298 an der Zahl), erhält man in geselliger Runde Antworten auf weltbewegende Fragen wie etwa „Wodurch kann ich mein Glück machen?“ oder „Wer ist mein wahrer Freund?“ oder „Wird meine Ehe glücklich seyn?“. Die jeweilige Prophezeiung als gereimter Zweizeiler erwürfelt man sich, angeleitet von einem Spielleiter namens Zoroaster (eigentlich ein persischer Priester, auch bekannt unter dem Namen Zarathustra). War man mit der Antwort nicht zufrieden, wird zur Klärung ein zweites Spiel-„Oberhaupt“ tätig, immerhin „Doctor Faust“, soviel Bildung in dieser Scheinwelt muss sein. Näheres dazu in der Spielanleitung.
Die Orakelsprüche lieferten (angeblich) besagte 9 „Zukunfts-Forscherinnen“, wie es weiterhin heißt, zu denen sich nur zu Marie Lenormand weiterführende biographische Informationen finden lassen, was wenig verwundert, war doch die wahrsagende Madame Lenormand (1772-1843) schon zu ihren Lebzeiten einschlägig berühmt und berüchtigt.
Nicht unerwähnt werden soll, dass unter dem Nachnamen besagter Dame noch immer hellseherische Geschäfte betrieben werden, wobei das Kartenziehen als mantische Methode bleibt („Lenormandkarten“ heißt das Deck) und natürlich auch online betrieben werden kann.
Auf dem Umschlag des Druckwerks von 1848 liest man noch den Vermerk „6000 Exemplare Absatz“ (an der Zukunft schien Mitte des 19. Jahrhunderts Bedarf geherrscht zu haben), dabei ist dieses, in der „Zweiten verschönerten Auflage“ von der UB JCS erworbene Exemplar in keiner anderen deutschen Bibliothek nachweisbar. Dieser Widerspruch löst sich auf, wenn man bedenkt, dass laut Spielanleitung zum bestimmungsgerechten Gebrauch des Werkes seine Zerstörung gehörte: "Die ... beigebundenen 9, mit Bildnissen und Fragen enthaltenden Blätter sind abzuschneiden und … auf Kartenpapier aufzuziehen“. Bitte nicht nachmachen! Zum Glück gibt es heutzutage davon ein Digitalisat.

