Sammlung Deutscher Drucke - Buch des Monats
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SAMMLUNG DEUTSCHER DRUCKE 1801-1870

Buch des Monats

Februar 2025

78 Spruechwoerter in Bildern.

Esslingen a/N. : Verlag von J. F. Schreiber, [ca. 1840].

12 Blaetter Tafeln, 2 ungezaehlte Seiten : Illustrationen

Signatur: Sq 5/W 118 | Online-Ausgabe

Titelblatt des Buches, darauf der Buchtitel in kunstvoll geschwungener Schrift

Sprichwörter vermitteln in einem fest formulierten Satz überlieferte Weisheiten oder Lebenserfahrungen, deren Ursprung in der Regel unbekannt ist. Um es mit Cervantes zu sagen: „Ein Sprichwort ist ein kurzer Satz, der sich auf lange Erfahrung gründet.“ Diese Prägnanz, mit der komplexe Sachverhalte einfach dargestellt werden, eignet sich besonders im Bereich des Kinder- und Jugendbuchs, um erzieherisch tätig zu sein und moralische Richtlinien zu transportieren. Die Kombination mit bunten Illustrationen, ermöglicht durch die Verwendung lithografischer Techniken, fügt noch eine weitere Dimension der Wahrnehmung hinzu und erklärt den großen Erfolg der „Sprüchwörter-Bücher“ im 19. Jahrhundert.

Das vorliegende Buch erschien um 1840 im Esslinger Verlag Jakob Ferdinand Schreiber, seinerzeit eine der größten „lithographischen Anstalten“ Deutschlands. Auf 12 Tafeln im Querformat sind jeweils eine größere Illustration eines Sprichwortes, umgeben von fünf oder sechs kleineren, mit dem dazugehörigen Text abgebildet.

Zwei Illustrationen aus dem Buch, ein verwüsteter Raum und darunter der Text "Blinder Eifer schadet nur" sowie eine Abbildung von Schiffsbrüchigen und darunter "Hoffnung lässt nicht sinken"

Es ist nicht verwunderlich, dass sich viele Sprichwörter im Hinblick auf das jugendliche Lesepublikum auf Tugenden, wie Ehrlichkeit, Genügsamkeit und Gottesfurcht beziehen. Dem „Fleiß“ lassen sich gleich mehrere Sprichwörter zuordnen: „Müßiggang ist aller Laster Anfang“ (Tafel 3), „Wer säet wird erndten“ (Tafel 8), „Uebung macht den Meister“ (Tafel 11) oder „Wer den Honig haben will, darf den Stachel der Bienen nicht scheuen“ (Tafel 8), wohl eine Variation des klassischen Seneca-Zitats „Per aspera ad astra“. Überhaupt sind die Grenzen zwischen Sprichwort, geflügeltem Wort und Zitat fließend, weil im Laufe der Überlieferung viele Zitate, deren literarische oder theologische Quellen bekannt sind, sprichwörtlich zum Sprichwort geworden sind. Wer denkt bei „Wenn die Noth am größten, ist Rettung am nächsten“ (Tafel 10) nicht an Hölderlins „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“ aus seiner 1808 erschienen Hymne „Patmos“? Manchmal lässt sich die Verwendung über Jahrhunderte hinweg nachweisen, so bei „Eine Hand wäscht die andere“ (Tafel 10), von Senecas „Manus manum lavat“ über Petronius, Goethe und Hegel bis zum Kölner Klügel. „Blinder Eifer schadet nur“ mit der vignettenhaften Darstellung einer desaströsen Katzenjagd auf Tafel 12 geht auf Magnus Gottfried Lichtwers Gedicht „Die Katzen und der Hausherr“ zurück. „Hoffnung läßt nicht sinken“ (ebenfalls Tafel 12) verweist darauf, dass Hoffnung bewahren in schweren Zeiten schon immer ein Thema war. Heute würde man von „Resilienz“ sprechen, wie überhaupt einige Sprichwörter durchaus modern interpretiert werden können: „Waghals brich den Hals“ (Tafel 2) als Warnung vor gefährlichen Trendsportarten, „Zuviel ist ungesund“ (Tafel 6) als Leitfaden für Ernährungsfragen und „Wahl macht Qual“ (Tafel 8) im Hinblick auf 41 zugelassene Parteien zur Bundestagswahl. „Eintracht bringt Macht“ (Tafel 1) muss in Frankfurt nicht weiter kommentiert werden.

Vorherige Monate

Joh. Christ. Eupel's vollkommener Konditor, oder gründliche Anweisung zur Zubereitung aller Arten Bonbons, Stangenzucker, Konserven ... so wie auch zum Einmachen und Glasiren der Früchte, nebst Abhandlungen vom Zucker ... ; ingleichen erprobte Vorschriften und Recepte zu allen Gattungen der Kunstbäckerei ... 8. verm. und verb. Aufl. von Adolf Cnyrim.

Weimar: Voigt, 1866. - XIV [i.e. XII]

320 Seiten, 3 Faltblätter

Signatur: 18/24946 | Online-Ausgabe

Johann Christian Eupel (geb. 1819) war Herzoglich Sächsischer Hofkonditor in Gotha, seine Bücher mit Rezepten im 19. Jahrhundert weit verbreitet. Die 8. vermehrte und verbesserte Auflage seines viel gepriesenen „Vollkommenen Konditor“ ist dagegen selten. Die für die Sammlung Deutscher Drucke erworbene Ausgabe zeichnet sich durch eine interessante (und natürlich unikale) Beigabe in Form eines handschriftlichen Zettels in Kurrentschrift aus, auf dem sich in Gemeinschaftsarbeit mühsam ein bis heute in Gebrauch befindliches (Klassiker)Rezept für Zuckerguss entziffern ließ: „Inzwischen rührt man das Weiße von 2 Eiern mit 4 Eßlöffeln feinem durchgesiebtem Zucker ½ Stunde lang, bestreicht das fertige Gebäck damit und setzt das Blech mit demselben nochmals für kurze Zeit zum Trocknen in den Backofen.“ Ein Stückchen Garn zwischen Seite 150/151 diente vielleicht als Lesezeichen, der Besitzvermerk „Elise Maymann M 1867“ könnte Anreiz für eine weitere Spurensuche sein. In SDD-Erwerbungen verbergen sich immer wieder solche Trouvaillen, was ihren speziellen Charme ausmacht.

Übrigens: Die Verwendung von Zucker fand lange Zeit und bis ins 19. Jahrhundert hinein nur in adligen Haushalten statt, war doch der „überseeische Rohrzucker sündhaft teuer“ wie man auf der Website des Conditoreimuseums Kitzingen erfährt. Erst durch die „Einführung des erheblich preiswerteren Rübenzuckers etablierten sich (…) ‚bürgerliche‘ Konditoreien außerhalb der herrschaftlichen Wohnsitze.“ (https://conditorei-museum.de/index.php/archiv-und-bibliothek/)

Hofkonditor (!) Eupes vielfach aufgelegtes Standardwerk erschien in der Reihe „Neuer Schauplatz der Künste und Handwerke“, was vielleicht erklärt, warum die (wenigen) Abbildungen neben Tortenverziehrungsvorschlägen Geräte des Konditorhandwerks der Zeit zeigen wie ein „Walzenwerk zur Bereitung englischer Trops“.

Bemerkenswert modern aus heutiger Sicht sind die drei Anhänge, die u.a. auf Lebensmittelpanscherei und verbotene Substanzen zum Färben von Bonbons etc. aufmerksam machen, wobei auch das in anderen Zusammenhängen aktuell wieder zweifelhafte Berühmtheit erlangte „Schweinfurter Grün“ Erwähnung findet.

Titelseite des Buches
Titelblatt zu Joh. Christ. Eupel's vollkommener Konditor, 1866
Tafel 2 mit Vorschlägen zur Dekoration von Torten

Der Kleinen Lust und Spiel : Schilderungen und Scenen aus dem Jugendleben : in zwölf Bildern mit Versen.

Stuttgart ; Eßlingen : Verlag von Schreiber und Schill, [1855]

2 ungezählte Blätter, 12 Blätter Tafeln : Illustrationen

Signatur: Sq 5/W 111 | Online-Ausgabe

Der Zeichenlehrer und Lithograf Jakob Ferdinand Schreiber (1809-1867) gründete 1831 in Esslingen mit einem Grundstock von 44 Lithografiesteinen den „Verlag und Lithographische Anstalt J. F. Schreiber“, der rasch expandierte und insbesondere ab 1840 mit großem Erfolg illustrierte Kinderbücher, Malbücher, naturkundliche Sachbücher und Wandlehrtafeln für Schulen veröffentlichte, an dem Schreibers Teilhaber Karl Thienemann wesentlichen Anteil hatte. Als 1849 Karl Thienemann (1786-1863) aus der Firma austrat und in Stuttgart den K. Thienemanns Verlag gründete, assoziierte sich J. F. Schreiber mit dem Buchhändler Carl Schill (1801-1862) in Stuttgart. Die Firma hieß nun Schreiber & Schill. Schill übernahm den Vertrieb in Stuttgart, während Schreiber sich der Buchproduktion in Esslingen widmete. In Esslingen erinnert das „J. F. Schreiber Museum“ bis heute an die große Zeit der Lithografie.

Bei „Der Kleinen Lust und Spiel“ handelt es sich um ein typisches Schreiber-Bilderbuch. Zwölf bunte Litho-Tafeln laden zum Betrachten ein. Die Illustrationen sind mit zwei Tontafeln unterlegt, braun für den Vordergrund und hellblau für den Himmel. Anschließend wurden sie mit der Hand koloriert. Ein ebenfalls lithografierter Text eines unbekannten Verfassers beschreibt die dargestellte Szene und endet oft mit erhobenem Zeigefinger in einer moralischen Aussage, die den Kindern Tugenden wie Gehorsam, Bescheidenheit oder Vorsicht vermitteln soll. So zum Beispiel bei den „Winterfreuden“ (Tafel 12), wo beim Schlittenfahren und Eislaufen zur Vorsicht gemahnt wird: „Doch … allzukeck dürft ihr nicht seyn / Sonst brecht ihr, fallend, Hals und Bein!“

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten, Hals- und Beinbruch für 2025!

Titelseite des Buches, auf der unter dem Titel vier lernende Kinder zu sehen sind
Der Kleinen Lust und Spiel, 1855, Titelblatt. 4 Kinder sitzen lesend und lernend unter Blätterranken
Seite aus dem Buch mit dem Gedicht
Der Kleinen Lust und Spiel, 1855, Tafel 12. Kinder fahren auf einem gefrorenen See Schlitten, darunter ein Gedicht "Winterfreuden"

Boner, Charles: On hearing the news of the Emperor of Russia's death.

Printed as Mss. - Ratisbon : [Verlag nicht ermittelbar], 1855

Signatur: Q 18/4775 | Online-Ausgabe

Erste Seite des Gedichts
Erste Seite des Gedichts mit dem Titel "On hearing the news of the Emperor of Russia's death", Charles Boner, 1855

Der Herrscher, anlässlich dessen Todes der britische Schriftsteller Charles Boner sein Gelegenheitsgedicht veröffentlichte, war der russische Zar Nikolaus I., der im März 1855 unerwartet an den Folgen einer Grippe verstorben war. Nikolaus I. hatte ein autoritäres Regime errichtet, das revolutionäre und nationale Bestrebungen inner- und außerhalb Russlands gewaltsam unterdrückte. Der Versuch, die Vorherrschaft im Nahen Osten und auf dem Balkan zu erlangen, mündete in den Krimkrieg zwischen Russland und dem Osmanischen Reich sowie dessen Verbündeten England, Frankreich und später Sardinien, der als der erste moderne Stellungskrieg mit medialer Begleitung gilt.

Das Gedicht schildert die Gedanken über den plötzlichen Tod des Schreckensherrschers, der Truppen in den Krieg geschickt und für das Unglück sehr vieler Menschen verantwortlich war. Aber selbst wenn der große Tyrann nun angesichts des Todes machtlos ist, sollte dies kein Grund zum Jubeln sein, sondern Anlass, über die eigene Sterblichkeit nachzudenken: „Can we exult then, or have we forgot - His fate is ours and death the mortal lot?“ (Seite [3])

Porträt von Charles Boner
Porträt von Charles Boner nebst lithographierter Unterschrift, aus: Charles Boner: Siebenbürgen : Land und Leute, 1865; Frontispiz; Digitalisat BSB München

Als Charles Boner diese Verse verfasste, lebte er bereits seit vielen Jahren in Deutschland und war als Erzieher am Hof von Maximilian Karl von Thurn und Taxis im Regenburger Schloss Sankt Emmeram Teil der höfischen Gesellschaft und enger Vertrauter des kunstliebenden Fürsten. 1815 in Bath geboren, war Boner zunächst Hauslehrer in der Familie des bekannten Malers John Constable in London, ehe er 1839 eine Einladung nach Deutschland annahm, wo er die deutsche Sprache erlernte und sich bald heimisch fühlte. Der begeisterte Jäger durfte seine adeligen Freunde bei ihren Jagdausflügen begleiten und schrieb neben einem Werk über alle jagdbaren Tiere des Waldes auch ein Buch über die Gamsjagd in den bayrischen Alpen. Boners lebendige Schilderung der Gebirgswelt beeindruckte auch Charles Darwin, der sich nach der Lektüre wünschte, wieder jung zu sein und durch die Berge zu streifen. Als „Kulturbuch ersten Ranges, nicht nur für Jäger, sondern für jeden, der Bayern liebt“ wird es aktuell in einem einschlägigen Onlineshop beworben.

Boner war aber zugleich ein Poet und Schöngeist mit Interesse an Kulturaustausch, der Artikel über deutsche Literatur für englische Zeitschriften wie die „Literary Gazette“ verfasste. Er schrieb ein von Franz von Pocci illustriertes Kinderbuch und übersetzte neben Gedichten deutscher Autoren wie z. B. Hoffmann von Fallersleben auch die Märchen des Hans Christian Andersen, wobei er sich die künstlerische Freiheit erlaubte, der Prinzessin gleich drei anstatt der einen Erbse unter die Matratze zu legen.

Nach seiner Zeit in Regensburg lebte Boner überwiegend in München und schrieb in verschiedenen englischsprachigen Zeitungen über aktuelle politische Ereignisse.


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zuletzt geändert am 30. Januar 2025

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