Kolonialbibliothek und Koloniales Bildarchiv
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden zahlreiche Vereine, die sich um die Betreuung deutscher Auswanderer sowie die Verbreitung kolonialer Ideen bemühten. Der wichtigste war die 1887 gebildete "Deutsche Kolonialgesellschaft" (DKG).
Kolonialbibliothek
Signatur: S 17/10102
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Quasi als Entschädigung für die umfangreichen Kriegsverluste übergaben die Amerikaner nach 1945 der damaligen Stadt- und Universitätsbibliothek in Frankfurt die so genannte Kolonialbibliothek.
Sie bestand aus rund 15.000 Monographien und ebenso vielen Zeitschriftenbänden. Die Bestände der Deutschen Kolonialgesellschaft gingen 1907 in das Reichskolonialamt ein, das seit dieser Zeit bis zum Ende des Ersten Weltkrieges als oberste Behörde die deutschen Schutzgebiete verwaltete. In der Zwischenkriegszeit war das Auswärtige Amt und ab 1936 der Reichskolonialbund für die Bibliothek zuständig (siehe die drei Stempel auf dem Titelblatt links).
Im Rahmen der Digitalisierungsmaßnahmen der Universitätsbibliothek wurden und werden laufend weitere Teile des historischen kolonialen Bestandes digitalisiert und zugänglich gemacht.
Kolonialbibliothek in den Digitalen Sammlungen
Darunter befindet sich auch die »Deutsche Kolonialzeitung«, diverse Amtsblätter für die deutschen "Schutzgebiete", Hand- und Adressbücher sowie einige reich illustrierte Prachtbände wie etwa »Die deutschen Kolonien« von Kurd Schwabe (1909, 1910).
Weitere Informationen zur Gliederung, Systematik und zum Nachweis der Kolonialbibliothek finden sich im Bereich Katalog
Koloniales Bildarchiv
Schon in den 1880er Jahren wurden Redevorträge gelegentlich durch private Glasplatten-Diapositive der Gastredner anschaulich unterlegt. Dies veranlasste die Gesellschaft 1891, mit zunächst rund 100 großformatigen Schwarzweiß-Diapositiven den Grundstock zu einer eigenen Bildsammlung zu legen.
Nachlässe von Mitgliedern und Freunden der Gesellschaft sowie die Überlassung von Originalen oder Duplikaten aus heute größtenteils untergegangenen amtlichen, kommerziellen und privaten Sammlungen vergrößerten rasch den Bildbestand. Um 1900 waren es schon mehr als 1.000 Glasplatten. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden gezielt bereits vorhandene Sammlungen für die DKG reproduziert und in ihren Bestand übernommen.
Die Bestände des Bildarchivs der Deutschen Kolonialgesellschaft wurden in Kooperation mit dem Geographie-Professor Uwe Ulrich Jäschke von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden und mit Hilfe von Drittmitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Langfristsicherung mikroverfilmt und für eine komfortable Benutzung digitalisiert und sachlich erschlossen. Weitere Unterstützung z.B. bei der Erfassung der vorhandenen Angaben in einer Datenbank und bei der Beschaffung einer ausreichend großen Rechneranlage leisteten die Marga- und Kurt-Möllgaard-Stiftung sowie die Adolf-Messer-Stiftung.
Der historische Bildbestand ist vollständig digitalisiert und online frei zugänglich:
https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/kolonialesbildarchiv
Eine englischsprachige Suchmaske und einen Thesaurus ermöglichen Forschern weltweit die Recherche in der Bildsammlung. Die Übersetzung des Thesaurus wurde durch ein GNARP-Projekt realisiert.
Inzwischen wurden zusätzlich rund 15.000 Bildeinheiten aus der Sam Cohen Library in Swakopmund/Namibia in die Datenbank aufgenommen.
Vortragstätigkeit
Die Deutsche Kolonialgesellschaft (DKG) und später auch der Reichskolonialbund erarbeiteten für ihre Propagandatätigkeit Werbevorträge. Vortragsmanuskripte und Bilder konnten zusammen für eine Abendveranstaltung ausgeliehen werden. Die Vortragenden bekamen teilweise sogar ein Honorar und ihre Reisekosten erstattet. Im Jahresbericht der DKG von 1896 wurde beispielsweise erwähnt, dass der Zentrale die Aufnahmen der letzten Neuguinea-Expedition für den Zweck der Herstellung eines Lichtbildervortrages über diese Expedition zur Verfügung gestellt worden sei.
Ein Beispiel ist der Vortrag "Kultur- und Vegetationsbilder aus Samoa", 1903 ausgearbeitet von dem Professor für Landwirtschaft in Halle, Ferdinand Wohltmann, der Samoa in diesem Jahr bereist hatte. Sieben der Fotografien stammen von ihm selbst. Auf S.10 etwa findet sich der Text zu dem Bild (042-0245-52) von Gouverneur Solf:"Alltäglich kann man den Gouverneur früh morgens und nachmittags zur Stadt und zurückfahren sehen. Sein Wagen ist amerikanischen Ursprungs und die Pferde stammen aus Australien. Dr. Solf ist der erste deutsche Gouverneur in Samoa. [...] Durch die geschickte und ruhige Art und Weise, mit der er die Samoaner behandelt, hat er es verstanden, nach den langjährigen Unruhen und Wirren endlich wieder Sicherheit und Frieden über die Inseln zu bringen. Ihm gebührt besonders das Verdienst, die Samoaner ohne einen Gewaltakt beruhigt, ihnen eine wohldurchdachte Selbstverwaltung zugestanden und sie zu folgsamen Untertanen des deutschen Reiches gemacht zu haben."
Wohltmann schwelgt in der Schönheit und Fruchtbarkeit Samos, der "Perle der Südsee". Und auf S.20 findet man:
"Eine der eigenartigsten und nettesten Erscheinungen ist in allen samoanischen Dörfern die Taupou. Es ist dieses die Dorfjungfrau, welche das Dorf repräsentiert und eine hohe ehrenamtliche Stellung einnimmt. [...] Ihre Aufgabe ist es auch, den Fremdling zu empfangen, ihn zu geleiten, für ihn zu sorgen und die Kavabowle zu bereiten. [...] Sie trägt bei festlichen Gelegenheiten den Kopfschmuck als Zeichen ihrer Würde."
Wohltmann schließt seinen Votrag auf S. 25: Arbeit, Kapital, Intelligenz und Erfahrung sei nötig, um die Inseln zu zivilisieren und kultivieren:
"Kultur und Zivilisation haben ihren Einzug auf unseren lieblichen Samoa-Inseln gehalten; sie werden sie dank der Güte der Natur und ihres Klimas im Siegeslaufe nehmen, reichen Segen über sie verbreiten und unseren deutschen Namen von Neuem zu Ehren bringen."
Buch- und Bildmaterial lassen die Kolonialzeit in ihrer ganzen regionalen und inhaltlichen Breite sichtbar werden. Dabei ging es immer auch um Aneignung, um Beherrschung und um Selbstversicherung der als überlegen behaupteten eigenen Kultur.
Das Material der Deutschen Kolonialgesellschaft sollte ein möglichst positives Bild von den Kolonien und der Kolonialherrschaft zeichnen.
Literatur und visuelles Material sind wichtige Quellen für die historischen Ereignisse in den dargestellten Regionen und auch für die Bilder in den Köpfen der Zeitgenossen.
Uwe Ulrich Jäschke (Hrsg.), 15 Jahre "Koloniales Bildarchiv" an der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main. - Dresden 2004 (Dresdner Kartographische Schriften)
Uwe Ulrich Jäschke, Kulturgutsicherung oder wie der Bildbestand der Sam Cohen Bibliothek in Swakopmund verfilmt wird. In: Namibia Magazin 13 (2002), H. 2, S.26.
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zuletzt geändert am 15. Oktober 2024