Nachlass Ferdinand Hiller
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Nachlass Ferdinand Hiller

Bild Hiller 1902 verkaufte der Frankfurter Konservatoriumslehrer und Pianist James Kwast nach der Trennung von seiner Ehefrau Tony Kwast-Hiller Musikhandschriften (Autographe) und Handexemplare seines Schwiegervaters - des Komponisten, Pianisten, Dirigenten und Musikpädagogen Ferdinand Hiller - an die Rothschildsche Bibliothek, von wo sie in die Stadt- und Universitätsbibliothek gelangten.

Der Frankfurter Kaufmannssohn Ferdinand Hiller (geb. 24.10.1811, gest. 11.5.1885) war u.a. Schüler des bekannten Pianisten Aloys Schmitt (Klavierspiel) und des Musiktheoretikers J. G. Vollweiler (Komposition). Bereits am 8.10.1821 trat er zum ersten Mal öffentlich in einem Museumskonzert auf. 1825 begab sich Hiller nach Weimar zur weiteren Ausbildung bei Johann Nepomuk Hummel (dort Bekanntschaft mit Goethe und Eckermann). Als Reisebegleiter Hummels kam der junge Künstler im März 1827 nach Wien, wo Hiller den todkranken Beethoven, Schubert, Grillparzer und Raimund kennen lernte.

Zurück in Frankfurt, widmete sich Hiller vorrangig dem Komponieren und weiteren Studien; auch trat er nun vermehrt als Pianist auf. Im Oktober 1828 erfolgte seine Abreise nach Paris, wo er durch die Empfehlung Hummels rasch Zugang zu den Salons und den führenden Musikern und Dichtern erhielt. Ferdinand Hiller lernte hier u.a. kennen: Cherubini, Rossini, Meyerbeer, Berlioz, Liszt sowie Heine, Börne, Balzac und Victor Hugo. Eine besonders enge Beziehung konnte er zu Chopin aufbauen.

Während seiner Pariser Zeit gab Hiller jährlich gefeierte Konzerte als Pianist (Beethoven, Bach) und Dirigent. Zudem fungierte er einige Zeit als Orgellehrer an Chorons Musikinstitut.

Im April 1836 nach Frankfurt zurückgekehrt, übernahm Hiller auf Bitten des erkrankten Schelble für ein Jahr die Leitung des Cäcilienvereins, ging dann aber im August 1837 nach Oberitalien. Seine Oper "Romilda" fiel 1838/39 trotz Rossinis Empfehlung an der Mailänder Scala durch.

Nach kurzem Aufenthalt in Frankfurt ging Hiller zu Mendelssohn nach Leipzig, wo sein Oratorium Die Zerstörung Jerusalems am 2.4.1840 erfolgreich uraufgeführt wurde. 1840/41 wieder in Italien, wurden ihm durch Baini und Santini die Werke Palestrinas vermittelt. Der nun mit der polnischen Sängerin Antolka Hogé (1820-96) verheiratete Hiller wurde zum Mittelpunkt der deutschen Künstlerkolonie in Rom.

Im Juni 1842 wieder am Main, trat Hiller - auch mit seiner Frau - in Konzerten auf. Felix Mendelssohn überredete den Freund, für ihn wegen seiner Verpflichtung in Berlin die Leitung der Gewandhauskonzerte in Leipzig zu übernehmen. Hiller war jedoch nur ein halbes Jahr in Leipzig, wo es zum bleibenden Zerwürfnis mit Mendelssohn kam. 1844 zog Hiller nach Dresden (Etablierung der Abonnementskonzerte, Leitung der Liedertafel, Kontakte zu Wagner, Freundschaft mit Robert und Clara Schumann). 1847-50 fungierte Hiller als Vertretungsdirigent in Düsseldorf, nur unterbrochen durch die Teilnahme an der Eröffnung und den Versammlungen des Paulskirchenparlaments 1848 in seiner Heimatstadt.

Von 1850 bis 1884 wirkte Hiller schließlich als Nachfolger Heinrich Dorns als Städtischer Kapellmeister in Köln, wo er auch als Gründer und Direktor des Konservatoriums (Rheinische Musikschule) hervortrat. Er übernahm zudem die Leitung vieler Niederrheinischer Musikfeste sowie der Gürzenichkonzerte mit prominenten Solisten aus ganz Europa. Durch Hillers Tätigkeit wurde Köln zu einem bestimmenden Punkt des deutschen Musiklebens jener Tage [Sietz]. Auch in seinen späten Jahren unternahm Hiller noch Konzertreisen in zahlreiche europäische Länder, 1851/52 war er Dirigent an der Italienischen Oper in Paris.

Die Universität Bonn verlieh Hiller 1868 den Ehrendoktortitel; 1875 wurde der Künstler geadelt.

Hiller gilt als einer der universellsten musikalischen Persönlichkeiten seiner Zeit [Sietz]. Bedeutend sind vor allem seine Leistungen als Pianist (insbes. seine Mozartinterpretationen) und Musikpädagoge (Schüler Hillers waren Max Bruch, Engelbert Humperdinck und Friedrich Gernsheim).

Nur kurzfristige Erfolge feierte Hiller als Komponist (konservative, romantische Richtung), wobei die Klavierstücke die weiteste Verbreitung erfuhren. Seine 207 Werke zeugen von einer hohen Vielseitigkeit. Das Oeuvre weist u.a. auf: 6 Opern, 2 Oratorien, 1 Operette ohne Text op. 106, 4 Symphonien, 4 Ouvertüren und 1 symphonischer Prolog, 3 Klavierkonzerte, 1 Violinkonzert, Kantaten und andere Kirchenmusik, Kammermusik, viele Klavierwerke und Lieder.

Ferdinand Hiller betätigte sich auch als Musikschriftsteller, insbesondere essayistisch in Artikeln im Feuilleton der Kölnischen Zeitung. In Buchform erschienen u.a.: Aus dem Tonleben unserer Zeit (2 Bde., 1868, N.F. 1871), Ludwig van Beethoven: gelegentliche Aufsätze (1871), Felix Mendelssohn-Bartholdy: Briefe und Erinnerungen (1874), Künstlerleben (1880). Zudem veröffentlichte er ein viel benutztes Lehrbuch Uebungen zum Studium der Harmonie und des Contrapunktes (2. Aufl. 1860/16. Aufl. 1897!).

Sein umfangreicher Briefwechsel mit Komponisten, Interpreten und Verlegern kann als Indiz für Hillers herausragende Position im Musikleben der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts herangezogen werden.

Der briefliche Nachlass Hillers befindet sich hauptsächlich im Stadtarchiv Köln (Vermächtnis von Hillers Tochter). Neben 10.012 Briefen von 3032 Persönlichkeiten in 34 Bänden finden sich hier auch das bedeutende Autographenalbum (mit Versen Goethes, Chopins Mazurka op. 6/1) sowie die (seit 1842 geführten) Tagebücher Hillers [Verz. von R. u. M. Sietz, Köln 1970].

Autographe der frühen Kompositionsphase (1828-39) gelangten in das Archiv des Robert-Schumann-Hauses Zwickau, weitere Teilbestände ins Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf und in die Staatsbibliothek zu Berlin (weitere 92 Briefe, Musikautographe).

Der kompositorische Nachlass Hillers in der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main besteht aus 74 Musikhandschriften mit Werken Hillers (darunter 21 Sammelhandschriften; zumeist unpubliziert, auch als Mikrofilme vorh.) sowie 278 Handexemplaren der gedruckten Stücke (teilweise Mehrfachexemplare). Die Sammelhandschriften enthalten neben Kompositionen auch Skizzen, Fragmente und Kontrapunktstudien [eigenhändige Kompositionsverzeichnisse in Mus Hs 3 (MF 6110)]. Insgesamt sind 188 der 207 Opera Hillers vorhanden.

Die UB Frankfurt bewahrt auch Briefe Hillers in verschiedenen anderen Nachlässen auf. So finden sich im Nachlass Julius Stockhausen 17 Briefe und ein Porträt, im Nachlass Engelbert Humperdinck je ein Brief von und an Hiller, eine weitere Fotografie sowie ein Zeugnis seines Lehrers. Weitere Briefe von bzw. an Hiller sind enthalten in den Sammlungen Manskopf, Gutzkow und Börne.

Kataloge

Ausführliches Verzeichnis der Musikhandschriften (mit Beschreibung, Notenincipit, Textabdruck) bei:

Ihl, Christine:
Der Nachlaß Ferdinand Hillers in der Frankfurter Stadt- und Universitätsbibliothek / vorgelegt von: Christine Ihl. - Frankfurt (Main), Univ., Magisterarbeit, 2000
2 Bde.; HB 20: D 25/5 oder als » digitale Ausgabe

Sie sind zudem im Zettelkatalog der Musikhandschriften erschlossen. Die Briefe sind im Autographenkatalog nachgewiesen, die Musikdrucke in den Allgemeinen Katalogen.

Literatur

Ihl, Christine
a.a.O., Bd. 1, S. 5ff. [Bibliographie: Bd. 2, S. 275-288].
Art. Hiller, Ferdinand
in: MGG (1. u. 2. Aufl.) [Werkverz.], New Grove (2. Aufl.) [Werkverz.], Riemann (11. u. 12. Aufl.), Rheinische Musiker. 1. Folge (1960) [Werkverz.], Honegger/Massenkeil: Das große Lex. der Musik, Mendel/Reissmann: Musikal. Conversations-Lex., Frankfurter Biographie.
Hering, Hans:
Die Klavierwerke F[erdinand] v. Hillers. - Düsseldorf : Fritz, 1928 [Köln, Univ., Diss., 1927].
Ferdinand Hiller
Ferdinand Hiller : Komponist, Interpret, Musikvermittler / hrsg. von Peter Ackermann.
Kassel : Merseburger, 2014
Beiträge zur rheinischen Musikgeschichte ; 177
Überblick über die Bestände der UB Frankfurt a. M.: S. 533 - 541
Hinrichsen, Hans-Joachim:
Ferdinand Hillers Dresdner Opern und Richard Wagner. In: Die Dresdner Oper im 19. Jahrhundert / hrsg. von Michael Heinemann ... - Laaber : Laaber, 1995 (Musik in Dresden ; 1), S. 251-270.
Körner, Klaus:
Das Musikleben in Köln um die Mitte des 19. Jahrhunderts. - Köln : Volk, 1969. - (Beiträge zur rheinischen Musikgeschichte ; 83) [S. 242ff.].
Kramer, Ursula:
"Bier, Rheinwein und viel zu essen": Giuseppe Verdi und seine Beziehung zu Deutschland - Die Freundschaft mit Ferdinand Hiller. In: Festschrift Christoph-Hellmut Mahling zum 65. Geburtstag / hrsg. von Axel Beer ... - Tutzing : Schneider, 1997 (Mainzer Studien zur Musikwissenschaft ; 37), S. 701-720.
Niemöller, Klaus Wolfgang:
Robert und Clara Schumanns Beziehungen zu Ferdinand Hiller. In: Schumanniana nova : Festschrift Gerd Nauhaus zum 60. Geburtstag / hrsg. von Bernhard R. Appel ... - Sinzig : Studio-Verl., 2002, S. 514-538.
Puchelt, Gerhard:
Ferdinand Hiller. Zu seinem 100. Todestag am 10. [sic!] Mai 1985. In: Musica 39 (1985), S. 259-264.
Sietz, Reinhold:
Aus Ferdinand Hillers Briefwechsel : Beiträge zu einer Biographie Ferdinand Hillers. Bd. [I]-VII. - Köln : Volk, 1958, 1961, 1964, 1965, 1966, 1968, 1970. - (Beiträge zur rheinischen Musikgeschichte 28, 48, 56, 60, 65, 70, 92) [Edition ausgewählter Briefe ab 1826, 1058 Dokumente von 341 Korrespondenten, mit Register].
Ders.:
Felix Mendelssohn und Ferdinand Hiller. I: Ihre persönlichen Beziehungen. In: Jb. des Kölnischen Geschichtsvereins 41 (1967), S. 96-118.
Ders.:
Felix Mendelssohn und Ferdinand Hiller. II: Ihre künstlerischen Beziehungen. Ebd. 43 (1971), S. 101-130.
Ders.:
Ferdinand Hiller und Frankfurt am Main bis zu seiner Berufung nach Köln (1811-1850). In: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 56 (1978), S. 55-122.
Wolff, Ernst:
Ferdinand Hiller. Zur Hundertjahrfeier seines Geburtstages (24. Oktober). In: Neue Zeitschrift für Musik 78 (1911), S. 553-555.

zum Nachlass vgl. auch:

Kersting, Ann Barbara:
Der Nachlass Ferdinand Hiller in der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt a. M. In: Frankfurter Bibliotheksbriefe 10/1995, S. 3-5.


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zuletzt geändert am 26. September 2022

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